Viele Menschen kennen Bogenschießen aus dem Eventbereich. Es macht Spaß, auf die Scheibe zu schießen, im Wettkampf gegeneinander anzutreten und Luftballons knallen zu hören. Mit diesen Bildern im Kopf ist es verständlich, dass die Verbindung zwischen intuitivem Bogenschießen und Führung nicht gleich ersichtlich ist. Um die Herstellung dieses Zusammenhangs, soll es in diesem Artikel gehen.
Das Grundprinzip
Der Bogen gehört zu den Distanzwaffen und wird als solche seit etwa 14.000 Jahren von den Menschen genutzt. Vor dieser Zeit verwendete man bearbeitete Steine, um Wild zu jagen oder sich zu verteidigen. Das Werkzeug war also eine unmittelbare Verlängerung der eigenen Gliedmaßen. Um die Distanzwaffe zu entwickeln, war Menschheitsgeschichtlich ein entscheidender Schritt von Nöten: Die Entwicklung des Bewusstseins dafür, dass ich hier und jetzt eine Handlung ausführen kann, die in zeitlicher und räumlicher Distanz eine Wirkung hat. Was banal klingen mag, ist ein Grundprinzip, das jedes Führungshandeln prägt. Führung bedeutet, hier und jetzt zu handeln, ein Gespräch zu führen, eine Anweisung zu geben, eine Mail rauszuschicken – und all das entfaltet in zeitlicher und räumlicher Distanz eine Wirkung, mit bisweilen ungeheurer Komplexität.
Die Handlung, die die Wirkung ausgelöst hat, ist unumkehrbar. Zugleich bedeutet dies, dass der einzige Moment, in dem Handlungs- und Einflussmöglichkeit besteht, der jeweils gegenwärtige ist.
Selbstführung als Grundlage gelingender Führung
In meinem Blogeintrag zum Thema „Bewusstsein und Führung“ stelle ich dar, dass es in der heutigen Zeit vermehrt darum geht, ein Führungsbewusstsein zu entwickeln, das sich als Führung von sich selbst führenden Mitarbeiter*innen versteht. Selbstführung wird also zum elementaren Ausgangspunkt dafür, andere Menschen überhaupt führen zu können.
Unter Selbstführung verstehe ich in diesem Zusammenhang die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Wahrnehmung bezüglich des eigenen Selbstausdrucks und der Wirkung, die dieses erzielt. Je besser jemand dazu in der Lage ist, sich selbst, seine Emotionen, Reaktionen und Verhaltensweisen zu verstehen, desto leichter gelingen Selbststeuerung und ein authentisches Führungshandeln. In all dem ist eine Führungskraft Vorbild.
Es geht um Haltung
Ausgehend von der Annahme, dass eine Beeinflussung der Handlung ausschließlich im gegenwärtigen Moment möglich ist, ist einer der zentralsten Faktoren an dieser Stelle die innere und äußere Haltung, mit der die Handlung ausgeführt wird. Haltung bezieht sich hierbei auf die innere Einstellung sich selbst, dem eigenen Selbstbild als Führungskraft, den Mitarbeiter*innen und schließlich den Kund*innen gegenüber.
Die Methode des intuitiven Bogenschießens ermöglicht es, genau diese Aspekte erfahrbar zu machen und eine unmittelbare Rückmeldung zu erhalten.
Das Schussbild verändert sich abhängig davon, wie gut der Schütze oder die Schützin mit sich selbst in Kontakt ist, ob es gelingt, mit der Aufmerksamkeit gelichzeitig bei sich selbst, dem Ziel und dem Zwischenraum zu sein. Es wird direkt und körperlich spürbar, wie sich die äußere und innere Haltung gegenseitig bedingen und auf die konkrete Handlung auswirken.
Bogenschießen wirft Fragen auf
Anhand des konkreten Tuns können Fragestellungen, die alltägliche Führungskontexte begleiten, behandelt, reflektiert und auf die Arbeit transferiert werden. Einige solcher Leitfragen könnten sein:
- Woran merken Sie, dass Sie eine stabile Basis haben, von der aus Sie agieren können?
- Woran erkennen Sie, wann es Zeit ist (ein Projekt, ein Thema, ein Team), loszulassen?
- Wie gelingt es Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit bewusst zu steuern und wie wirkt sich Ihre Aufmerksamkeitsfokussierung auf Ihre Mitarbeiter*innen/Kund*innen/zu erreichenden Ziele aus?
- Wo spüren Sie Anspannung/Entspannung und wie kommen Sie in Balance?
- Wo fängt etwas an, wo hört es auf (Gespräch, Projekt)?
Die zunächst theoretisch erscheinenden Fragstellungen konkretisieren sich beim Bogenschießen in einem stabilen Stand, der Zielfokussierung, einem klaren und bewussten Loslassen und dem aktiven Spiel mit Anspannung und Entspannung im Körper. Den Körper als Ausgangspunkt zu nehmen, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung effektiv und zielführend, da nur etwa 10 Prozent der Handlungen bewusst sind und kognitiv reflektiert werden können. 90 Prozent sind unbewusst und durch den Körper repräsentiert. Eine verbesserte Körperwahrnehmung adressiert somit zum einen die unbewussten Anteile, zum anderen wirkt sie sich direkt auf die Präsenz einer Person aus. Dieser Unterschied ist von außen wahrnehmbar und wirkungsvoll. Für Führungskräfte bedeutet dies eine Erweiterung der Fähigkeiten zur Selbststeuerung und damit den Zugriff auf gezieltere und mit der Person und Rolle im Einklang stehenden Interventionen.