Begriffsdefinition Bewusstsein
Die Psychologie unterscheidet zwischen den Funktionen unseres Bewusstseins und den Inhalten des Bewusstseins.
Zu den Inhalten des Bewusstseins zählen alle Erfahrungen (Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Vorstellungen und Wünsche) die wir zu einem Zeitpunkt haben und von welchen wir wissen, dass wir sie haben.
Die Funktionen des Bewusstseins umfassen die Reduktion von Reizen aus der Umwelt, die Selektion von Speicherungsprozessen und die persönliche Konstruktion der Realität.
Reduktion von Reizen aus der Umwelt bedeutet, wir nehmen nur das wahr, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Unter der Selektion von Speicherungsprozessen versteht man, dass wir nur das erinnern, was in Bezug auf unsere persönlichen Bedürfnisse als relevant erscheint.
Ein höheres oder größeres Bewusstsein zu haben, bedeutet demnach, mehr wahrnehmen zu können. Wir setzen Dinge stärker mit uns in Beziehung und konstruieren eine flexiblere oder weitere Realität.
Ein höheres Bewusstsein verstärkt auf diese Weise also zum einen die Komplexität der Weltbegegnung, zum anderen erhöht sich das Selbst-Bewusstsein. Hierdurch wird der Kern des eigenen Wesens klarer verständlich und ein entsprechendes, selbstbewusstes Verhalten leichter. Michael von Brück, Theologe und Zen-Lehrer, beschreibt Bewusstsein als einen Prozess in Bewegung. Dieser ist abhängig von unserer Wahrnehmung, dem, was wir für wirklich halten, und wirkt gleichzeitig wiederum auf dieses zurück. Bewusstsein erzeugt sich auf diese Weise ständig neu. Es ist eine ständige Vergegenwärtigung der eigenen Geschichte. Als Aspekte des Bewusstseins, die gleichzeitig Ansatzpunkt der Bewusstseinsschulung und Erweiterung sein können, benennt er Wahrnehmung, Gefühl, Intellekt und den Willen zum Handeln.
Bewusstsein als Führungsthema
Die gegenwärtige Arbeitswelt befindet sich in einem Umbruch. Sie befindet sich am Ende des Informationszeitalters und ringt um eine Führungskultur, die einer neuen Generation, dem wachsenden Bewusstsein für die individuelle Gesundheit der Mitarbeiter*innen, sowie der stetigen Suche nach Sinnhaftigkeit gerecht wird. Zugleich steigt das Bedürfnis des Individuums nach Eingebundensein und Zugehörigkeit.
In dem Film „Die stille Revolution“ von Kristian Gründling, beschreibt Prof. Dr. Götz Werner, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr darum geht, Menschen zu führen, sondern Bewusstsein zu führen. Gleichwohl er in diesem Zusammenhang offen lässt, inwiefern das Bewusstsein für heutige Führungskontexte eine größere Rolle spielt als zuvor, fällt auf, dass er mit dieser Stoßrichtung nicht alleine ist. Der Hirnforscher Prof. Dr. Hüther beschreibt in dem Vorwort zu der Veröffentlichung Führen mit Hirn von Sebastian Purps-Pardigol (2015), dass die neue Basisinnovation, die unser Leben und die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren prägen wird, keine Erfindung, sondern ein neues Selbstverständnis, eine neue innere Einstellung sein wird. Und dieses neue Bewusstsein sei mehr denn je vonnöten. Die Lust der Mitarbeiter*innen, sich weiterzuentwickeln, ihr Potential zu entfalten und eine neue Beziehungskultur zu sich selbst und anderen zu etablieren, sei entscheidend für das Bestehen moderner Unternehmen. Einen direkten Bezug zwischen Bewusstsein und Führung stellt Hans Wielens in Führen und Meditieren: Aufbruch in ein neues Bewusstsein (2003) her. Das Neue dieses Bewusstseins beschreibt er als die „Einsicht in die Verbundenheit aller Dinge, in die Prozesshaftigkeit und Interdependenz aller Erscheinungen“. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Ansätze von Ken Wilber (2001), der sogar von einem momentanen Übergang von einer Bewusstseinsstufe zur nächsten spricht. Dieser drücke sich in allen Lebensbereichen des Menschen aus.
Tatsächlich scheint der Begriff des Bewusstseins in aller Munde. Seminare zum Thema Gesundheit und der Etablierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements gipfeln in der Feststellung, dies sei eine Frage von Haltung und Bewusstsein. Studien des beruflichen Netzwerks Xing von Prof. Dr. Wippermann sprechen für sich. 73% der befragten Unternehmen geben an, dass sich der Arbeitsplatz der Zukunft stärker an menschlichen Bedürfnissen orientieren und sich auf das geistige und emotionale Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen ausrichten muss. Zusätzlich gehen 64% der Befragten davon aus, dass die klassische Top-Down-Führungskultur in 15 Jahren durch agilere Methoden abgelöst sein wird. Hierdurch steigt die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen.
Die wachsende Freiheit bedeutet gleichzeitig einen Anstieg selbstgeführter Prozesse. Im Umkehrschluss bedeutet dies, sodass Führungskräften zunehmend die Aufgabe der Führung sich selbst führender Individuen zuteil wird. Nach Prof. Dr. Wielens liegt die Grundlage guter Führung in der Fähigkeit, sich selbst zu verstehen. Dies wiederum habe etwas mit Geist und Bewusstsein zu tun.
Der Anstieg agiler und auf Selbstführung ausgerichteter Prozesse und der Bedeutung geistigen und emotionalen Wohlbefindens, rückt die Bedeutung von Bewusstsein und Selbstverständnis in den Vordergrund. Es geht um Reflexion des eigenen Seins und Daseins. Eine zentrale Aufgabe von Führungskräften könnte es demnach zukünftig sein, Mitarbeiter*innen im Verstehen ihrer selbst und damit in der Ausbildung Ihres Bewusstseins zu unterstützen.
Quellen:
Gerrig, Richard J. & Zimbardo, Philip G. (Hrsg.) (2008): Psychologie. München: Pearson Deutschland GmbH.
Brück, Michael von: Person, Personalentwicklung und –führung im Kontext spiritueller Praxis: Wahrnehmung, Wirklichkeit, Bewußtsein. In: Wielens, Hans (Hrsg.) (2003): Führen und Meditieren : Aufbruch in ein neues Bewusstsein. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang. 83 - 102.
Purps-Pardigol, Sebastian (2015): Führen mit Hirn. Mitarbeiter begeistern und Unternehmenserfolg steigern. Mit einem Vorwort von Gerald Hüther. Frankfurt/Main: Campus Verlag.
Wielens, Hans (Hrsg.) (2003): Führen und Meditieren: Aufbruch in ein neues Bewusstsein. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang.
Wilber, Ken (2001): Integrale Psychologie: Geist, Bewußtsein, Psychologie, Therapie. Freiamt: Arbor-Verlag.
Wippermann, Peter & Xing (2018): New Work Trendbook: Die 15 wichtigsten Trends zur Arbeitswelt der Zukunft. Online verfügbar unter: recruiting.xing.com/downloads/pdf/XINGNewWork Trendbook.pdf, (Abruf 07.01.2018).
Filme:
Gründling, Kristian (2018): Die Stille Revolution. Der Kinofilm zum Kulturwandel in der Arbeitswelt [DVD]. Köln: mindjazz pictures.